Aus dem Reiserecht

Gerade im Laufe der Corona-Pandemie kam es bei vielen Flugreisen zu Verspätungen oder Annullierungen und auch beim jüngsten Streik der Bahn wurde die Geduld der Reisenden erneut auf die Probe gestellt. Wir erläutern Ihnen im Folgenden einige der wichtigsten Rechte der Reisenden und stellen dar, wie Sie diese Rechte gegenüber Reiseunternehmen geltend machen können.

Verspätungen und Annullierungen bei Flugreisen

Man kennt es: Kaum ist man am Flughafen angekommen, so erfährt man über die Anzeigetafeln, dass sich der Flug verspätet oder komplett annulliert wurde. Doch welche Rechte haben Sie in einem solchen Fall?

Rechte bei Verspätung

Ihre Rechte ergeben sich bei Flügen aus oder in die EU aus der Fluggastrechteverordnung. Bei sonstigen internationalen Flügen, die nicht aus oder in die EU stattfinden, haben Sie möglicherweise Ansprüche aus dem sog. Montrealer Übereinkommen, sofern der Staat, in welchen Sie einreisen, dieses Übereinkommen unterzeichnet hat.

Wir wollen uns an dieser Stelle aber auf die Rechte aus der Fluggastrechteverordnung beschränken.

Die Rechte der Fluggäste richten sich hierbei insbesondere nach der Flugstrecke und der Größe der Verspätung der Abflugs- bzw. Ankunftszeit.

Hat sich nur Ihr Abflug verspätet, so haben Sie grundsätzlich keinen Anspruch auf Entschädigung in Geld, außer wenn dies zu einer erheblich verspäteten Ankunft führt (dazu unten mehr). Bei Verspätungen der Abflugzeit von Flügen

  • über eine Entfernung von 1500 km oder weniger von zwei Stunden
  • bei innergemeinschaftlichen Flügen über eine Entfernung von mehr als 1500 km und bei allen anderen Flügen über eine Entfernung zwischen 1500 km und 3500 km um drei Stunden oder mehr
  • und bei allen Flügen, die nicht unter die zuvor genannten Flüge fallen um 4 Stunden oder mehr

haben Sie einen Anspruch auf sog. Unterstützungsleistungen. Sie haben also einen Anspruch auf Mahlzeiten und Erfrischungen in angemessenem Verhältnis zur Wartezeit, sowie zwei Telefonate zu führen bzw. zwei E-Mails zu schreiben auf Kosten der Fluggesellschaft. Ist die Abflugzeit erst am darauf folgenden Tag zu erwarten, haben Sie zusätzlich einen Anspruch auf kostenlose Unterbringung und Beförderung zu der Unterkunft/ dem Hotel.

Beträgt die Verspätung mindestens 5 Stunden oder mehr, können Sie zusätzlich die binnen 7 Tagen zu leistende, vollständige Erstattung der Flugtickets verlangen, gegebenenfalls inklusive eines Rückflugs zum ersten Abflugsort zum frühestmöglichen Zeitpunkt.

Führt allerdings z.B. die verspätete Abflugszeit auch zu einer verspäteten Ankunftszeit, so haben Sie nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs folgende pauschale Entschädigungsansprüche:

  • 250 € bei allen Flügen über eine Entfernung von 1500 km oder weniger.
  • 400 € bei allen innergemeinschaftlichen Flügen über eine Entfernung von mehr als 1500 km und bei allen anderen Flügen über eine Entfernung zwischen 1500 km und 3500 km.
  • 600 € bei allen übrigen Flügen.
  • Rechte bei Annullierung

Wird Ihr Flug hingegen vollständig annulliert, so haben Sie zunächst einen Anspruch auf vollständige Rückerstattung des Ticketpreises, sowie einen Anspruch auf die oben genannten Unterstützungsleistungen. Weiterhin haben Sie auch einen Anspruch auf die oben beschriebenen pauschalen Entschädigungsleistungen, es sei denn,

  • Sie werden über die Annullierung mindesten zwei Wochen vor der planmäßigen Abflugszeit unterrichtet, oder
  • Sie werden über die Annullierung in einem Zeitraum zwischen zwei Wochen und sieben Tagen vor der planmäßigen Abflugszeit unterrichtet und erhalten ein Angebot zur anderweitigen Beförderung, das ihnen ermöglicht, nicht mehr als zwei Stunden vor der planmäßigen Abflugszeit abzufliegen und ihr Endziel höchstens vier Stunden nach der planmäßigen Ankunftszeit zu erreichen, oder
  • Sie werden über die Annullierung weniger als sieben Tage vor der planmäßigen Abflugszeit unterrichtet und erhalten ein Angebot zur anderweitigen Beförderung, das es ihnen ermöglicht, nicht mehr als eine Stunde vor der planmäßigen Abflugszeit abzufliegen und ihr Endziel höchstens zwei Stunden nach der planmäßigen Ankunftszeit zu erreichen.
  • Gutscheinlösung?

Da es im Laufe der Corona-Pandemie zu vielen Verspätungen und Annulierungen von Flügen kam und immer noch kommt, verweisen viele Fluggesellschaften, wenn ein Fluggast ihnen gegenüber insbesondere Entschädigungsleistungen geltend macht, auf die sog. Gutscheinlösung. Diese Gutscheinlösung war ein Versuch der Bundesregierung in der Pandemie die Unternehmen dadurch zu entlasten, dass sie statt Entschädigungen auch Gutscheine anbieten dürfen, welche zu einem späteren Zeitpunkt eingelöst werden können. Allerdings hat die europäische Kommission sehr schnell deutlich gemacht, dass eine Verpflichtung, solche Gutscheine anzunehmen, für den Verbraucher nicht bestehen kann. Daher hat der deutsche Gesetzgeber reagiert und nur gesetzlich geregelt, dass solche Gutscheine durch Verbraucher freiwillig angenommen werden können aber nicht angenommen werden müssen. Wenn sich also ein Flugunternehmen darauf beruft, Sie müssten einen Gutschein akzeptieren, ist die schlichtweg falsch. Sie haben nach wie vor die oben beschriebenen Ansprüche und müssen den Gutschein nicht annehmen.

Corona oder Streik als außergewöhnlicher Umstand?

Oft wenden Flugunternehmen gegen die oben genannten Ansprüche ein, dass die Corona-Pandemie ein außergewöhnlicher Umstand sei, der nach der Fluggastrechteverordnung z.B. Entschädigungsleistungen der Flugunternehmen ausschließen würde. Auch dieser Einwand ist in derartiger Pauschalität nicht gültig.

So hat das Amtsgericht Köln in einem Urteil vom 30.10.2020 (Az: 159 C 182/20) klargestellt, dass insbesondere behördliche Maßnahmen wie Schließungen aufgrund der Corona-Pandemie zwar grundsätzlich außergewöhnliche Umstände darstellen könnten, aber das Flugunternehmen beweisen müsse, inwieweit sich dieser behauptete außergewöhnliche Umstand auch tatsächlich kausal auf die Annullierung des Fluges ausgewirkt hat. Ein pauschales Verweisen auf die Corona-Pandemie reicht also nicht aus!

Zu der Frage, ob ein Streik einen solchen außergewöhnlichen Umstand darstellt, hat der Europäische Gerichtshof entscheiden, dass dies nicht der Fall ist, wenn sich bei dem Streik an geltendes Recht gehalten werde (EuGH Urteil vom 23.03.2021 – C-28/20). Somit kann also ein Flugunternehmen auch einen Streik meist nicht zur Entkräftung Ihres Anspruchs auf Entschädigung anführen.

Erstattung der Anwaltskosten neben der Entschädigung?

Nun noch eine Zusatzinformation, welche nicht nur Sie sondern auch uns freut:

Anwaltskosten zur Geltendmachung Ihrer Ansprüche können auch neben den genannten Entschädigungsleistungen gegen die Fluggesellschaft geltend gemacht werden, wenn diese Sie nicht in ausreichender Weise über Ihre Rechte als Fluggast aufgeklärt hat. Dies entschied der BGH in einem Urteil vom 01.09.2020 (Az: X ZR 97/19).

Warum Pauschalreisen sinnvoll sein können

Nach dem Vorstehenden möchten wir Ihnen grade im Hinblick auf Flugreisen erläutern, warum Pauschalreisen sinnvoller sein können, als bsw. die Buchung einzelner Flüge. Zum einen haben Sie bei einer Pauschalreise den Vorteil, dass das pünktliche Ankommen am Reiseziel Vertragsbestandteil der gesamten Pauschalreise ist. Kommen Sie zu spät an, ist dies ein Reisemangel, der zu zusätzlichen Ersatzansprüchen führen kann. Zum anderen ist der Gerichtsstand für Flugreisen, welche von einem Staat der EU, der nicht ihr Heimatstaat ist, in ein anderes Land führen, bei Pauschalreisen für Sie günstiger. Bei einer solchen können Sie nämlich als Verbraucher an Ihrem Wohnsitz klagen, während dies bei der Buchung einzelner Flüge nicht möglich ist. Bei diesen können Sie nur am Abflugsort oder am Ankunftsort oder an dem Ort klagen, an welchem die Fluggesellschaft ihren Sitz hat, weshalb meist eine Klage in einem fremden Rechtsraum von Nöten ist.

Verspätungen und Zugausfälle

Auch die Situation eines am Bahnsteig wartenden Bahnreisenden kann jeder nachvollziehen, da die meisten Menschen eine solche schon selbst erlebt haben. Grade wenn Gewerkschaften – wie jüngst die GDL – mal wieder streiken, kann es zu erheblichen Verspätungen oder Ausfällen von Zügen bei der Bahn kommen.

Doch welche Rechte haben Sie als Fahrgast?

Einige Ihrer Rechte ergeben sich auch in diesem Fall aus einer EU-Verordnung, nämlich der sog. Fahrgastrechteverordnung. Die folgenden Rechte gelten also für Bahnreisen in der gesamten EU.

Bei einer Verspätung von 60 Minuten oder mehr am Zielbahnhof muss das Zugunternehmen Ihnen 25 % des Ticketpreises erstatten. Ab einer Verspätung von 120 Minuten beträgt die Entschädigung 50 % des Ticketpreises. Keinen Anspruch auf Entschädigung haben Sie allerdings, wenn Sie bereits vor dem Kauf der Fahrkarte über eine Verspätung informiert wurden oder wenn bei Ihrer Ankunft am Zielort eine Verspätung aufgrund der Fortsetzung der Reise mit einem anderen Verkehrsdienst oder mit geänderter Streckenführung weniger als 60 Minuten betragen würde.

Allerdings müssen Sie nicht immer bloß eine Entschädigung akzeptieren. Muss davon ausgegangen werden, dass bei Ankunft am Zielort gemäß Beförderungsvertrag die Verspätung mehr als 60 Minuten betragen wird, so haben Sie als Fahrgast die Wahl zwischen:

  • Erstattung des vollen Fahrpreises sowie Rückfahrt zum Ausgangspunkt, wenn die Reise für Sie durch die Verspätung sinnlos geworden ist.
  • Fortsetzung der Weiterreise mit geänderter Streckenführung unter vergleichbaren Beförderungsbedingungen bis zum Zielort bei nächster Gelegenheit.
  • Fortsetzung der Weiterreise mit geänderter Streckenführung unter vergleichbaren Beförderungsbedingungen bis zum Zielort zu einem späteren Zeitpunkt nach Ihrer Wahl.

Zusätzlich habe Sie auch bei Zugreisen Anspruch auf verschieden Hilfeleistungen. Zunächst müssen Sie über Abfahrts- und Ankunftszeit unterrichtet werden, sobald diese Informationen zur Verfügung stehen.

Bei einer Verspätung von mehr als 60 Minuten hat das Zugfahrtunternehmen Ihnen weiterhin folgendes kostenlos anzubieten:

  • Mahlzeiten und Erfrischungen in angemessenem Verhältnis zur Wartezeit, sofern sie im Zug oder Bahnhof verfügbar oder vernünftigerweise lieferbar sind.
  • Unterbringung in einem Hotel oder einer anderweitigen Unterkunft und die Beförderung zwischen dem Bahnhof und der Unterkunft in Fällen, in denen ein Aufenthalt von einer oder mehreren Nächten notwendig wird, sofern dies praktisch durchführbar ist.
  • Ist der Zug auf der Strecke blockiert, die Beförderung vom Zug zum Bahnhof.

Besteht keine Möglichkeit zur Fortsetzung eines Verkehrsdienstes mehr, so muss das Zugunternehmen so rasch wie möglich einen alternativen Beförderungsdienst für Sie organisieren. Weiterhin ist das Unternehmen verpflichtet, Ihnen auf Anfrage zu bestätigen, dass der Verkehrsdienst verspätet war, zum Verpassen eines Anschlusses geführt hat oder ausgefallen ist.

Es gelten aber noch einige spezielle Regelungen der deutschen Bahn:

Haben Sie ein ICE, IC/EC Ticket und ist eine Verspätung von mindestens 20 Minute abzusehen, haben Sie die Wahl zwischen:

  • Fortsetzung der Weiterreise mit geänderter Streckenführung unter vergleichbaren Beförderungsbedingungen bis zum Zielort bei nächster Gelegenheit.
  • Fortsetzung der Weiterreise mit geänderter Streckenführung unter vergleichbaren Beförderungsbedingungen bis zum Zielort zu einem späteren Zeitpunkt nach Ihrer Wahl.

Sie können hierbei auch einen Zug der höheren Produktklasse benutzen. Die Benutzung eines reservierungspflichtigen Zuges oder eines Sonderzuges ist allerdings nicht gestattet.

Haben Sie hingegen eine Fahrkarte der Produktklasse C, so müssen Sie, wenn Sie zur Weiterreise einen Zug der höheren Produktklasse benutzen, zunächst den Fahrpreis für die höhere Produktklasse zahlen, bekommen die dafür erforderlichen Aufwendungen aber erstattet.

Achtung: Dies gilt nicht, wenn Sie ein Ticket zu einem erheblich ermäßigten Fahrpreis haben.

In bestimmten Fällen haben Sie auch einen Anspruch auf Weiterbeförderung mit einem anderen Verkehrsmittel (z.B. Taxi) zum Zielort, sofern dies praktisch durchführbar ist und:

  • Die Planmäßige Ankunftszeit zwischen 0 und 5 Uhr liegt und von einer verspäteten Ankunft von 60 Minuten ausgegangen werden kann, oder
  • Wenn es sich bei dem ausfallenden Zug um die letzte fahrplanmäßige Verbindung handelt und man nicht mehr bis 24 Uhr am Zielort ankommen würde.

Allerdings muss die Bahn die Gelegenheit bekommen, solche Verkehrsmittel selbst anzubieten. Nur wenn die deutsche Bahn für Sie nicht erreichbar ist, können Sie ein Verkehrsmittel selbst organisieren und erhalten die erforderliche Aufwendung bis zu einem Höchstbetrag von 80 € erstattet. Dieser Höchstbetrag gilt nicht im weiter oben beschriebenen Fall einer Blockierung des Zuges auf der Strecke bzw. wenn keine Möglichkeit zur Fortsetzung eines Verkehrsdienstes mehr besteht.

Eine kostenlose Unterbringung in einem Hotel oder einer anderen Unterkunft erhalten Sie bei der deutschen Bahn bereits, wenn wegen Zugausfalls oder Verspätung die Fahrt nicht am selben Tag fortgesetzt werden kann oder, wenn für Sie eine Reise am selben Tag nicht zumutbar ist. Auch hierbei gilt der Grundsatz, zunächst muss die Bahn die Chance bekommen eine Unterkunft für Sie zu organisieren. Erst wenn Sie die deutsche Bahn nicht erreichen können, dürfen Sie sich eine Unterkunft selbst organisieren und erhalten dann ihre Aufwendungen erstattet.

Ihre Ansprüche können Sie gegenüber der deutschen Bahn mit dem sog. Fahrgastrechteformular geltend machen. Mittlerweile gibt es für viele Fälle auch Online- Anträge, bzw. Anträge über verschiedene Apps.

Wichtig ist in jedem Fall: Belege aufheben!!!

Eine interessante Entscheidung möchten wir Ihnen allerdings noch zum Abschluss dieser Rubrik darstellen:

Bei der Entscheidung ging es um die Frage, wer bei einer Pauschalreise haftet, wenn sich ein Zug verspätet und die Reisenden deshalb einen Flug verpassen. Das Landgericht Frankfurt hat in seinem Urteil vom 13.11.2019 (Az: 2-24 S 74/19) entschieden, dass der Reiseveranstalter in einem solchen Fall die Mehrkosten für einen anderen Flug den Reisenden erstatten müsse. Urlauber dürften grundsätzlich darauf vertrauen, dass die Bahn ihre Fahrtzeiten einhält. Lediglich eine Zugverspätung von 10 Minuten sei generell einzukalkulieren. Im vorliegenden Fall war die Verspätung der Bahn allerdings um ein vielfaches höher.

Sollten auch Sie Probleme mit Ihrer Flug- oder Zugreise gehabt haben, so wenden Sie sich gerne bezüglich der Geltendmachung Ihrer Rechte an uns. Wir stehen Ihnen jederzeit gerne mit Rat und Tat zur Seite.